
Dann
plötzlich: Ein kurzer Lichtblitz am östlichen Horizont, den ich nur
kurz aus den Augenwinkeln wahrnahm. Ich schreckte aus meinen
nächtlichen Gedanken. Was war denn das? War es nur ein falscher
Nervenimpuls von meiner Netzhaut, oder vielleicht ein weit entferntes
Wetterleuchten, oder ein Feuerwerkskörper in der nächsten Stadt?
Oder explodierte vielleicht gerade irgendwo auf der Welt eine
Atombombe, und die Atmosphäre spiegelte den Lichtblitz durch die
tiefe Dunkelheit dieser Nacht?
In
meinem Kopf ratterte es. Ich war hier im Urlaub und hatte schon 2
Wochen keine Nachrichten mehr gehört. Mein Händy hatte schon ewig
keinen Empfang mehr gehabt. Wir waren komplett abgeschnitten, die
Wüste hatte uns vollständig aufgesaugt. Nur noch unser Auto,
vollgestopft mit Essen und mit genügend Diesel im Tank, stellte den
letzten seidenen Faden dar, der uns noch mit der modernen Welt
verband. Wer weiß was in der Welt inzwischen geschehen war? Ich
befand mich in einem muslemischen Land, auch noch in Afrika, auf
einem anderen Kontinent. Was wenn tatsächlich ganz plötzlich ein
Krieg ausgebrochen wäre. Waren die Grenzen vielleicht schon alle
geschlossen worden? Saßen wir hier schon fest? Und ich saß hier
seelenruhig und würde davon nichts weiter mitbekommen, als dieser
kurze Lichtblitz eben, gerade lang genug um ihn überhaupt
wahrzunehmen. Ich dachte darüber nach, dass uns eine solche atomare
Hiobs-Botschaft heutzutage schon gar nicht mehr verwundern und
erschrecken würde. Welch traurige Bilanz unserer, ach so modernen,
Zeit und unserer kriegerischen Spezies!
Ich
kam mal wieder schwer ins Grübeln: Trotz all dem sogenannten
Fortschritt, köcheln die Krisenherde auf der Erde beständig vor
sich hin. Kriege und Hass schwelen überall auf unserem Planeten. So
brandheiß wie die Glut meines Lagerfeuers direkt vor meinen Füßen.
Regelmäßig bricht hier und dort ein kleiner Krieg aus, große
Flüchtlings-Ströme von Heimatlosen ziehen verzweifelt durch die
Welt. Noch immer hat die Menschheit keine Lösung gefunden, um die
alten Ketten von Leid und Gewalt durchbrechen zu können. Man muss
wohl sagen, dass die Politik, die Moral und auch der Verstand bisher
wohl gründlich versagt hat.
Doch
in dieser endlosen Zeitlosikeit, die in der Wüste immer um einen
herum ist, erscheint einem all das nur noch wie eine kurze
Randerscheinung. Dieser blaue Planet ist schon so unermesslich alt.
Wäre seine gesamte Geschichte 24 Stunden lang, gäbe es unsere
Spezies gerade mal nur 5 Sekunden!
Wir
haben uns hier in nur ein paar tausend Jahren so stark vermehrt, dass
wir heute schon 30% der lebendigen Masse an Säugetieren ausmachen.
Und unser Hunger auf Fleisch scheint unermesslich, denn weitere 65%
entfallen auf all unsere Nutztiere, die uns Menschen als fleischliche
Nahrung dienen, und welche übrigens endlos viele Agrarflächen für
Futtermittel beanspruchen. Nur 5% gehen heute noch auf unsere
Ur-Ahnen, die Wildtiere!
Wir
dominieren diesen Planeten auch noch gar nicht so lange, vor nur 300
Jahren gab es gerade mal nur 500 Milionen von uns auf diesem
Planeten, so viele wie heute allein nur in Europa. Wir verkleistern
die Erde unaufhörlich mit Beton und Asphalt, wir zerstören und
vergiften Lebensräume, wir machen überall entsetzlichen Lärm,
Gestank und erzeugen gefährlichen Müll. Schon oft stellte ich mir
vor wie wohl die Tiere uns Menschen wahrnehmen?
Ohne
die Stille werden wir noch alle verrückt!

Doch wenn einmal alle Stille ausgemerzt ist, wie es oft in den Städten geschieht, dann verliere ich schnell diesen Boden in mir. Dann reißt mich der Strom der Geräusche davon und ich verliere leicht den Ruhepol in mir. Ich verirre mich dann leicht etwas orientierungslos in meinen Gedanken, in den vielen Ideen meines Verstandes und in all den unnötigen Notwendigkeiten unseres modernen Lebens.
Die
Stille ist nunmal die Grundlage aller Geräusche. Und nur die Stille
kann mich wahrlich zu mir selbst zurückholen. Erst wenn ich den
Boden der Stille in mir wieder fühle, erkenne ich mich selbst und
meinen wahren Standort. Dann erkenne ich auch wie unbedeutend und
klein, und wie verletzlich und sterblich ich in Wahrheit doch bin.
Jedes Leben ist ja nur wie ein zartes Pflänzlein, das nur dann
gesund gedeihen kann, wenn die allerbesten Bedingungen gegeben sind.
Ohne all diese optimalen Bedingungen um uns, die uns dieser Planet
immer so bedingungslos schenkt, sind wir ein Nichts. Und die
Menschheit tut scheinbar alles dafür, um sich dieser Bedingungen so
schnell wie möglich zu entledigen. Und irgendwie kann ich das jetzt
endlich verstehen und annehmen. Wir wollen es nicht anders, ich
glaube wir alle wollen im Grunde so gar nicht weiterleben!
Ich
glaube wir alle wollen im Grunde so gar nicht weiterleben!
Haben
unsere vielen Widersprüche, in diesen ach so verkommenen Zeiten, unseren
Selbsterhaltungstrieb schon so sehr zermürbt ?

Erst
als ich 2006 einmal mit meinem Vater und einer schrecklich
quasseligen Reisegruppe in der ältesten Wüste der Erde war, der
Wüste Namib, entdeckte ich dort die Wüste in mir selbst. Umgeben
von dieser köstlichen Stille, und doch von ihr abgeschnitten, durch
das unaufhörliche Geplapper um mich herum, konnte ich diese Stille
dann endlich auch in mir drinnen hören.
Ich
hatte im Schweigen der Gedanken und Interpretationn endlich diesen
Boden gefunden, auf dem ich mich, wo auch immer ich war, durch
Meditation auch von all dem Lärm unserer Zuvielisation ausruhen
konnte.
Seit her sind meine Besuche in der Wüste keine Notwendigkeit mehr,
sondern nur noch der köstlichste Luxus den ich mir überhaupt
vorstellen kann.
Der
Tod und die Zeitlosigkeit:
Auch
der Zeitlosigkeit sollte ich
noch einmal in mir selbst begegnen. Dies
geschah bei einem Nahtoderlebnis das ich 2012 hatte, ausgelöst durch
ein Guillain Barre Syndrom. Ich erkannte dabei den Ursprung allen
Seins und mir offenbarten sich tiefe Einblicke in das Wesen einer
völlig zeitlosen Realität, bei der meine bisherige Auffassung von
Realität nur noch verblassen konnte. Seither habe ich keine Angst
mehr vor dem Tod und kann diese hartnäckige Trennung von ich und du
nur noch als eine Metapher begreifen. In Anbetracht der Ewigkeit sind
all unsere Probleme ja kaum noch von Bedeutung. Alle Widrigkeiten
fügen sich ein in ein endloses Band von allen Möglichkeiten, die im
Großen betrachtet keinerlei Wichtigkeit mehr besitzen. Hier zählt
nur noch das Dasein selbst, welches die Ewigkeit für immer
durchwirkt und sie verblüffender Weise sogar erzeugt.

Die
Wüste ist ein wirklich guter Lehrer und ich kann sie jedem nur
wärmstens weiterempfehlen. Sie zeigt uns auch deutlich, wie weit wir
Menschen uns von unser guten Mutter-Erde schon entfernt haben. Unsere
Gedanken und unsere Probleme kreisen meist unaufhörlich um recht
künstliche, abtrackte oder virtuelle Dinge. Und doch können wir
nicht mehr zurück. Doch wir können lernen zu erkennen, das wir uns
in unserem eigenen Dunst verloren haben. Es geht darum aufzuwachen
und zu begreifen, dass nicht unsere Wünsche und all die materiellen
Dinge um uns wichtig sind, sondern im Grunde nur unser Dasein und wir
selbst. Erst wenn wir erkennen, dass diese vermeintliche Trennung gar
nicht existiert, werden wir damit aufhören unsere Mutter-Erde so
schlecht zu behandeln wie wir es bis heute tun. Denn wir stecken
kollektiv gesehen vermutlich immernoch in der Rebellionsphase eines
Teenagers, der sich brutal gegen seine Eltern auflehnt. Wir müssen
endlich erwachsen werden, und unsere Wut im Zaun halten, und
begreifen dass alles Leben hier nur weiterleben kann, wenn wir alle
friedlich miteinander zu leben gelernt haben.
Solarmichel
01/2016
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